Traders Magazin_02_2023

26 Recht haben oder im Fernsehen clever rüberkommen. Konzentrieren Sie sich darauf, wirklich Geld zu verdienen. Sie brauchen unbedingt einen klaren Arbeitsablauf. Jemand, der noch am Anfang seiner Tradingkarriere steht, sucht häufig nach irgendetwas, was zuverlässig funktioniert. Wahrscheinlich sucht er nach einem Stil, der zu seiner Persönlichkeit passt und gleichzeitig profitabel ist. Diese Suche ist von einem Privattrader zu erwarten, aber absolut inakzeptabel, wenn man in einem institutionellen Umfeld arbeitet. Wenn man seinen ersten Hedgefonds auflegt, sollte man bereits genau wissen, in welchem Bereich man gegenüber der Konkurrenz die Nase vorn hat. Nach einigen Jahren Arbeit an der Börse weiß man, was man tun muss, um nachhaltig Geld zu verdienen. Anstatt ewig zu suchen, bis man etwas gefunden hat, was funktioniert, muss man selbstbewusst seinen Vorteil ausnutzen. Wenn Sie Ihren persönlichen Handelsablauf nicht dokumentieren können, kann das nur eines bedeuten: Sie sind sich nicht sicher, worin Ihr Wettbewerbsvorteil besteht. Vielleicht haben Sie nicht intensiv genug darüber nachgedacht, wie Sie diesen Vorteil richtig definieren können. Vielleicht haben Sie auch nur einen unzureichenden Test durchgeführt. Haben Sie vielleicht nicht sorgfältig genug Ihr Datenfundament studiert, um sich ein echtes Urteil bilden zu können? Oder Ihr Trading ist längst zu einer reinen Intuitionssache geworden und Sie sind sich nicht wirklich sicher. Dennoch: Wenn Sie keinen klaren Arbeitsplan haben oder ihn nicht definieren können, haben Sie naturgemäß auch keinen Vorteil. Bei günstigen Marktbedingungen können Sie noch einigermaßen gut abschneiden. In anderen Fällen haben Sie wahrscheinlich Ihr Trading nicht mehr vollständig unter Kontrolle. Sie hätten eine Menge Geld zu verwalten, und zwar von mehreren Personen. Diese müssen wissen, was genau Sie mit ihrem Geld machen. Wie sollten Sie auch die Geldgeber von der Anlage überzeugen, wenn sie Ihre Anlagestrategie nicht erklären können? Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Sie einen klaren Ablauf haben. Einen Vermögensverwalter zu engagieren, der nur mithilfe von Bloomberg plus Bauchgefühl spekuliert, kann zwar profitabel sein, aber das ist kein überzeugendes Business. Man kann auch einen Vergleich mit einem Geschäft aus der Realwirtschaft anstellen, zum Beispiel mit einer chemischen Reinigung. Wenn Sie dort Ihre Kleidungsstücke abgeben, wissen Sie, dass diese in guten Händen sind, weil die jeweiligen Aufgaben klar definiert und verteilt sind. Eine Mitarbeiterin der Firma nimmt Ihre Kleidungsstücke entgegen, spricht mit Ihnen über mögliche Probleme und gibt Ihnen einen Abholschein. Eine weitere Person, die im hinteren Teil des Geschäfts tätig ist, bringt alle Teile in den dafür INSIGHTS vorgesehenen Raum und reinigt sie. Eine dritte Person entfernt sie aus dem Reinigungsautomaten und verpackt sie in Folie, sodass sie abholbereit sind. Eine Vierte schließlich arbeitet an der Eingangstheke, wo Sie Ihre sauberen Kleidungsstücke wieder abholen können. In jeder Phase dieses Unternehmens ist klar, wer was macht, und der Gesamtplan hat den Zweck, eine Dienstleistung zu erbringen und Gewinne zu erzielen. Warum sollte das bei einem Fonds anders sein? Schließlich ist auch er nichts anderes als ein Geschäft. Also müssen Sie als Anleger oder Trader die Geschäftsabläufe eindeutig regeln. Sie müssen ermitteln, wo Ihr Wettbewerbsvorteil liegt, und versuchen, ihn schriftlich festzuhalten. Wenn Sie sich bei der Formulierung nicht sicher sind, dann stimmt oft etwas nicht. Manchmal ist auch eine Checkliste sehr nützlich, wenn sich ein Wettbewerbsvorteil aus mehreren Kriterien ergibt. Sie können dann anhand der Checkliste überprüfen, ob der Vorteil noch intakt ist. Ebenso lassen sich bestimmte Prioritäten definieren. Wenn Sie zum Beispiel einen Algorithmus entworfen haben, der Ihnen die besten Trendaktien auswirft, dann kann Ihre Anlagestrategie nicht darauf verzichten. Ein solcher Algorithmus muss von Zeit zu Zeit gepflegt werden, weil daraus der Wettbewerbsvorteil erwächst. Genau dieses Verständnis hilft dem Hedgefondsmanager bei der Bewertung von Investments und der Erstellung eigener Strategien. Wenn er über eine neue Strategie oder einen neuen Handelsansatz nachdenkt und sie nicht auf ein paar Stichpunkte reduzieren kann, wird daraus nichts. Das Vorgehen hilft auch, um mit Analysten zu arbeiten. Fazit: Das Innenleben eines Hedgefonds mag zwar ein Buch mit sieben Siegeln sein, entpuppt sich aber bei genauerem Hinsehen als recht banal. Zur Überraschung der meisten Außenstehenden liegt auch hier ein echter Schwerpunkt auf dem Betriebswirtschaftlichen. Ein Hedgefondsmanager macht theoretisch nicht viel anders als ein Privatanleger. Der große Unterschied liegt im professionellen Ablauf. Während sich ein Privatanleger vielleicht einen Handelstipp in einer Börsenshow holt, findet der Hedgefondsmanager dieselbe Aktie durch seinen eigenen Analyseprozess. Der Privatanleger kauft die Aktie und weiß nicht im Detail, wie er mit ihr umgehen soll. Im Gegensatz dazu hat der Hedgefondsmanager diese Aktie entdeckt, weil sie perfekt zu seinem standardisierten Handelsplan passt. Er weiß genau, wie er sich zu verhalten hat, wenn ihr Kurs steigt, fällt oder gleich bleibt. Er weiß genau, wie viel Geld er in die Aktienposition stecken darf. Der Hedgefondsmanager kennt seine mathematischen Wahrscheinlichkeiten und orientiert sich daran. TRADERS´ 02.2023

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