ANLAGEDIREKT 01/2022

13 anlagedirekt 01.2022 internationalen Arbeitsteilung, die die Produktionskosten alles andere als senken werden. Leider ist diese rohstoffseitige Himmelfahrt in den aktuell bereits hohen Inflationsraten noch gar nicht berücksichtigt. Die klassische Reaktion der Geldpolitik wären Zinserhöhungen, aber… Normalerweise müsste die EZB auf dieses Inflations-Armageddon ohne Zögern und hart reagieren. Allerdings verweist die EZB darauf, dass die explodierenden Preise nicht Produkt einer völlig überhitzten Konjunktur sind. Dafür hätte die EZB in ihrer Werkzeugkiste sicherlich die passenden Instrumente. Nein, es sind die geopolitisch bedingten Angebotsverknappungen von Grundstoffen und Transportkapazitäten, denen sie mit ihren klassischen Instrumenten nicht beikommen kann. Natürlich, die EZB könnte zu einem neuen Gleichgewicht an den Rohstoffmärkten beitragen, indem sie die Nachfrage durch radikale Zinsrestriktionen abwürgt. Über Unternehmenspleiten und Arbeitslosigkeit würde sie dafür aber schwere Wohlstandseinbußen in Kauf nehmen. Realpolitik als Alibi für Europas stabilitätsferne Geldpolitik Einen Tod wird die EZB eben sterben müssen, entweder den Konjunktur-Tod oder den Tod der Preisstabilität. Zweifelt wirklich jemand, wie ihre Entscheidung ausfällt? Die Ukraine-Krise stellt ihr dabei einen Blankoscheck aus. Außerdem muss das europäische Bankensystem vor Kreditausfallrisiken geschützt werden. Bloß keine neue Finanzkrise riskieren, die zu schnell zu einer neuen Schuldenkrise und als Sahnehäubchen obendrauf zur Eurosklerose führt. Man räumt der Preissteigerung einfach eine längere Zeitspanne ein, um nach Höhenflug wieder den Boden zu finden. So hält man scheinbar zumindest langfristig die StabilitätsFahne - wenn auch auf sehr wackeligen Beinen - aufrecht. Die EZB hat sogar noch das Ass im Ärmel, dass die Messung der Inflationsrate immer eine relative Betrachtung zum Vorjahr ist. Selbst wenn 2023 die Rohstoffkosten auf dem augenblicklichen Extremniveau verharrten, würde sich im nächsten Jahr eine geradezu dramatische Preisentspannung einstellen. Rückläufige Rohstoffpreise könnten sogar deflationär wirken. Dass das absolute Preisniveau dennoch gigantisch bleibt, wird man aus dem EZB-Turm kaum hören. Daher ist wirklich restriktive Zinspolitik und Liquiditätsverknappung seitens der EZB nicht zu erwarten. Und wann hören die Ausnahmen von den Stabilitätsregeln auf? Leider sind die Ausnahmen längst zur Regel geworden. Und wo es keine hohen Kreditzinsen gibt, kann es ebenso keine wirklich attraktiven Anlagezinsen geben. Bei allem geopolitischen Verdruss kommen die Aktienmärkte immerhin zumindest in den Genuss einer verlängerten Liquiditätshausse. Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: www.roberthalver.de/ Newsletter-Disclaimer-725 ©jozefmicic –stock.adobe.com

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