Traders Magazin_11_2023.indb

20 TRADERS´ 11.2023 dies in etwa so aussehen, dass der KI ein Ausschnitt der aktuellen Umgebung (in Form von Daten) übergeben wird und diese entscheidet, ob wir uns in einer volatilitätsreichen oder volatilitätsarmen Umgebung befinden. Dies kann auch als eine Art „Anomalieerkennung“ betrachtet werden. Die praktischen Anwendungsfälle nehmen zu Die Anwendungsfälle von KI und die Bereiche, in denen sie Entscheidungen treffen kann, nehmen daher mit der Verbesserung der Datenlage im Finanzmarkt stetig zu. Da sich immer mehr Prozesse im Investmentprozess datenbasiert abbilden lassen, kann KI eingesetzt werden. Dabei gilt die Faustregel, dass mit mehr Daten auch komplexere KI-Modelle wie neuronale Netze sinnvoll sind und mit weniger Daten eher einfachere KI-Modelle wie ein Random Forest (eine Ansammlung von Entscheidungsbäumen). Ersteres eignet sich vor allem für Intraday-Daten wie BidAsk-Preise, Volumendaten oder Textnachrichten. Letzteres eher für Fundamentaldaten wie Umsatz, EPS, EBITDA oder andere Kennzahlen, da hier meist nur vier Datenpunkte pro Jahr zur Verfügung stehen und somit maximal 80 Dateneinträge über die letzten 20 Jahre verfügbar sind. Bei Intraday-Kursdaten hingegen über >1.000 Dateneinträge pro Tag oder Stunde. Kann KI bereits selbstständig eine eigene Handelsstrategie umsetzen? Ja, das kann KI heute. Voraussetzung ist, dass alle Prozesse im Investmentprozess mit Daten beschreibbar sind. Und dass die unterschiedlichen Prozesse mit unterschiedlichen KI-Modellen bewältigt werden können. Aus den bisherigen Beispielen lässt sich eine einfache Anlagestrategie ableiten, die aus einem unsupervised und einem supervised KI-Ansatz besteht. Dabei wird ein KI-Modell mit historischen Bid & Ask Preis- und Volumendaten trainiert und hat das Ziel, den Preis stündlich zu modellieren und eine Aussage zu treffen, ob der Midprice (Mittelwert zwischen Bid & Ask Preis) in den nächsten 48 Stunden steigen oder fallen wird. Zusätzlich wird das unsupervised KI-Modell verwendet, um dem supervised KI-Modell mitzuteilen, ob eine hohe Volatilität erwartet wird. Wenn dies der Fall ist, soll das supervised KI-Modell keine Aussage darüber treffen, ob der Midprice steigen oder fallen wird, da das Risiko durch die erwartete Volatilität höher ist. Ein KI-System kann noch mehr Die Kombination verschiedener KI-Modelle wird oft als KI-System bezeichnet. Ein System benötigt nun ein spezifisches Underlying, z. B. einen Aktienindex, den das System kontinuierlich modellieren soll. Dabei können z.B. für den DAX alle Preisdaten der darin enthaltenen Unternehmen relevant sein und den KI-Modellen zusätzlich Preis- und Volumendaten verschiedener Börsenplätze sowie relevante Nachrichten zur Verfügung gestellt werden. Dadurch wird das Umfeld besser beschrieben und das KI-System kann sich in der Modellierung des DAX-Kurses und der Volatilität verbessern und damit ggf. gewinnbringend investieren. Dabei ist es möglich, wenn das KI-System unspezifisch programmiert wurde, das System auf viele andere Assetklassen zu übertragen. Wichtig ist, wenn auf eine automatisierte Ausführung Wert gelegt wird, dass die Assetklasse liquide ist und eine automatisierte Schnittstelle zum Börsenplatz bzw. Markt besteht, damit das KI-System den Output des Modells in eine konkrete Order umsetzen kann. Dazu kann wiederum das aktuelle Orderbuch des modellierten Underlyings in der eingangs festgelegten Umgebung hinzugefügt, ein weiteres KI-Modell mit historischen Orderbuchdaten trainiert und wiederum die Orderplatzierung z. B. auf minimalen Spread optimiert werden. Es lässt sich erahnen, wie vielfältig die Anwendungsbereiche der KI sind. Wer setzt solche KI-Systeme bereits ein? Bisher sehen wir den Einsatz vor allem bei Hedgefonds. Two Sigma oder die Man Group sind hier Vorreiter. In der letzten Ausgabe von TRADERS´ haben wir über diese Unternehmen berichtet und uns auch die Frage gestellt, wie viel KI wirklich in Robo Advisorn steckt. Das Ergebnis war ernüchternd. Insgesamt sind wir aber davon überzeugt, dass KI weiter Einzug in den Investmentprozess halten wird, da sie dem Asset Manager Kosten und Zeit sparen kann, damit er sich auf seine Kernkompetenzen konzentrieren kann. Fazit: Die Umgebung, in der eine KI agiert, muss durch ausreichende Daten beschrieben werden können. Die Qualität und Quantität der Daten, mit denen ein KI-System gefüttert wird, ist elementar für den Erfolg der Anwendung. Für die entsprechenden Daten müssen geeignete supervised und unsupervised Modelle verwendet werden (Reinforcement Learning Ansätze wurden hier nicht berücksichtigt). Die Praxis zeigt, dass mit abnehmender Datenmenge tendenziell einfachere KI-Modelle besser geeignet sind. Eine KI ist in der Lage, selbständig neue und erfolgreiche Handelsstrategien umzusetzen, sofern die Prozesse in der Strategie durch Daten beschreibbar sind. Die Zahl der Anwendungsfälle für KI nimmt stetig zu, mit steigender Datenqualität beschleunigt sich dieser Trend sogar noch. INSIGHTS

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